Zögling - Stiftung Segel-Flug-Geschichte

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Zögling in der Heizzentrale des Schulhauses eingelagert.


Technische Daten
Typ
Ae.C.S. Zögling
Konstrukteur
Stamer / Lippisch
Konstruktionsjahr
1926
Baujahr
1944
Spannweite
10 Meter
Gewicht
98 Kg
Sitzplätze
1
Anzahl produzierter Flugzeuge
Ae.C.s.-Zögling bei Flugtechnische Zentrale Belpmoos 9 stk.

Vorgeschichte
Der Ae.C.S. Zögling HB-429 basiert auf einer Konstruktion von Stamer/Lippisch von 1926. Das von der Flugtechnischen Zentrale Belpmoos gebaute Gleitflugzeug konnte am 11. Oktober 1944 eingeflogen werden. Der erste Käufer war die Schweizerische Segelflugschule Bern. Per 23. Juli 1948 ging der Zögling an die Segelfluggruppe Grenchen, welche ihn bis zu seiner Beschädigung im 1950 zur Grundschulung einsetzte.

Am 11. November 1952 wurde der Gleiter exmatrikuliert und definitiv stillgelegt. Er blieb bis zur Schenkung an die Museumsgesellschaft Grenchen im Hangar der Segelfluggruppe Grenchen eingelagert. Das Museum verstaute das Fluggerät im Luftschutzkeller des Schulhauses Kastels.

1986 scheiterte mein erster Versuch, den Ae.C.S.-Zögling wieder in die Luft zu bringen. Die Museumsgesellschaft gab mir zwar die Erlaubnis für eine Restauration, wollte das Flugzeug aber definitiv am Boden behalten. Ich lehnte das Angebot ‘Restaurieren ohne zu Fliegen’ dankend ab. Als der Zögling im Luftschutzkeller aus Platzgründen weichen musste, wurde er in die Heizzentrale des Schulhauses 3 gezügelt, wo er lange Zeit unbeachtet vor sich hinschlummerte.

Am 15. Mai 2003 konnte ich den Zögling mit Frau Angela Kummer erneut besichtigen. Während der jahrzehntelangen Lagerung und bei diversen Transporten hatte das nicht mehr eingetuchte Flugzeug stark gelitten. Der Stiftungsrat des Museums Grenchen beschloss an der Sitzung vom 10. Mai 2007, den Zögling für 500 Franken an mich zu verkaufen.
Eingelagerter, unbespannter Flügel


Restauration

Zuerst musste der Zögling akklimatisiert werden. Das Holz war von der jahrelangen Lagerung in der Heizzentrale darrtrocken wie ein Tannenreisig. Drei Jahre konnte das Holzflugzeug an der frischen Luft, aber wettergeschützt, langsam die natürliche Luftfeuchtigkeit aufnehmen. In der Zwischenzeit konnte ich im Bundesarchiv die Akten und den Schriftverkehr zum Ae.C.S.-Zögling HB-429 kopieren. 2011 war es soweit: Ich konnte den Zustand des Zöglings und die Leimungen definitiv beurteilen. Aufgrund der Ergebnisse entschied ich mich, die geplante Restaurierung in Angriff zu nehmen.

An einem OSV-Treffen in Amlikon gewann ich Werner Roth und Hans Rothenbühler (Fips) für das Projekt. Mit Hilfe der beiden Ehefrauen überzeugte ich Werner und Fips, mich beim Wiederaufbau des Zöglings tatkräftig zu unterstützen. Als erfahrene Flugzeugrestaurateure und vom Berufsleben frisch pensioniert, waren sie für mich die Garanten, dass das Projekt in vernünftiger Zeit vollendet werden würde.

Am 12. Dezember 2011 reichte ich beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) mein Konzept zur Restaurierung und Grundüberholung des Ae.C.S.-Zöglings ein. Der Zögling wurde nach Weinfelden überführt. Heinz Bärfuss stellte sich in verdankenswerter Weise zur Verfügung, das Projekt als Fachexperte zu begleiten und gegenüber dem BAZL zu vertreten. Seine Erfahrung und Akzeptanz öffnete uns in Bern so manche Türe.  

Leider verstarb Hans Rothenbühler Juni 2012 nach kurzer, schwerer Krankheit. Das brachte das Projekt zum Stoppen, noch ehe es richtig Fahrt aufgenommen hatte. Glücklicherweise liess sich Werner Roth nicht entmutigen. Er konnte seinen ebenfalls erfahrenen Bruder Hugo Roth zur Mitarbeit animieren, wobei sich dieser vor allem um die Beschläge und Metallteile kümmerte.

2014 fragte ich das Verkehrshaus in Luzern an, ob man uns das Seitenruder eines Ae.C.S.-Zöglings überlassen könne, welches sich in ihrer Sammlung befand. Unser Seitenruder stammte von einem Karpf-Zögling und passte deshalb nicht zur HB-429. Die Zusage kam prompt und unkompliziert. Ein schönes Zeichen für die gut funktionierenden Zusammenarbeit der Stiftung Segel-Flug-Geschichte mit dem Verkehrshaus.  

Am 10. Juni 2015 war es soweit: Wir stellten die restaurierten Rohbauteile zum ersten Mal zusammen und Heinz Bärfuss vollzog die Rohbaukontrolle. Jetzt war auch Heinz, welcher insgeheim doch seine Zweifel am Projekt hatte, davon überzeugt, dass der Ae.C.S.-Zögling HB-429 wieder richtig fliegen wird. Die Firma Gadringer stellte uns gratis neue Gurten her.  

Am 27. Oktober 2015 bestand der Zögling zu meiner grossen Erleichterung die vom BAZL verlangte Belastungsprobe. Jetzt durfte das Flugzeug eingetucht werden, was zusammen mit dem Spannlackieren sehr viel Zeit beanspruchte. Am 15. November 2016 waren diese Arbeiten abgeschlossen und wir konnten die notwendige Schwerpunktwägung durchführen.  

Am 7. Februar 2017 verstarb Werner Roth, völlig unfassbar für uns alle, während einer Routineoperation. Werner war bis zu diesem Zeitpunkt der grosse Chrampfer im Zöglingsprojekt. Mir blieb nichts Anderes übrig, als den Stollen (Baulokal in Weinfelden) aufzulösen und den Zögling nach Bettlach zu überführen.

Zum Glück sprangen Res Stotzer und Markus Müller in die Lücke und halfen bei den anstehenden Arbeiten. Diese könnten von einer im Berufsleben stehenden Person im Alleingang nicht innert nützlicher Zeit bewältigt werden. Wir bauten die Klinke und den Starthaken ein. Dann konnten wir die Immatrikulation anbringen. Mit dem Einstellen der Spannschlösser und der Spanndrahtlängen erfolgte die exakte Justierung der V-Form und der Verwindungen der Flügel. Eine heute praktisch unbekannte Arbeit. Marius Fink, welcher zu diesem Zeitpunkt zur Baugruppe stiess, konnte uns mit seinen Erfahrungen gut unterstützen.

Nebenbei gelang es mir, die offenen Baustellen bei den technischen Akten zu schliessen. Das ist fast so wichtig wie die eigentliche Restauration.  

Per 1. Januar 2019 stehen der Zögling und die technischen Unterlagen für die Abnahme durch das BAZL bereit.

Text: Thomas Fessler
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